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Foto: Christoph Reiners 

In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit

Die Kanzel in unserer Josephskirche stammte aus dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie war als hölzerne Podestkanzel am vorderen linken Vierungspfeiler mit Treppenaufgang ausgebildet. Die Kanzelbekleidung bestand aus der Darstellung von Prophetenfiguren des Alten Bundes sowie aus vier Kanzeltafeln, auf denen Szenen aus dem neuen Testament dargestellt waren. Nur die erste Kanzeltafel zeigte ein nicht-biblisches Motiv, nämlich die Streitrede des Bischofs Athanasius gegen Arius auf dem Konzil in Nizäa im Jahre 325. Die Darstellungen trugen bei zum Skulpturenprogramm der Kanzel, dem Ort, von dem aus Gottes Wort verkündet und ausgelegt wurde. Im Rahmen der Neugestaltung der Josephskirche zu Beginn der 70er Jahre, die vor allem den liturgischen Neuerungen nach dem 2. Vatikanischen Konzil Rechnung tragen sollte, verschwand leider auch die Kanzel.

Da die katholische Kirche am 02. Mai des Heiligen Athanasius gedenkt, wollen wir einen Blick auf diese Persönlichkeit werfen, die eine wegweisende Debatte angestoßen hat.

In Alexandrien fand unter Kaiser Konstantin eine theologische Debatte statt, an der sich auch die Christen leidenschaftlich beteiligten. Worum ging es?

Der Priester Arius (280 – 336) vertrat die Auffassung: Es gibt nur einen Gott, den ewigen Vatergott. Christus ist ein Geschöpf wie wir, lediglich vom Vatergott mit göttlichen Kräften ausgestattet und an Sohnes Statt angenommen. Diese Lehre des Arius löste in den christlichen Gemeinden weit über Ägypten hinaus beträchtliche Unruhe aus. Kaiser Konstantin verfolgte die Auseinandersetzung besorgt, gefährdete sie doch den Zusammenhalt seines Reiches. Daher berief er im Jahre 325 eine allgemeine Bischofsversammlung nach Nizäa ein. Etwa 300 Bischöfe erschienen. Das Konzil tagte in einem Saal des kaiserlichen Sommerpalastes.

Schärfster Gegner des Arius war der Diakon Athanasius (seit 328 Bischof von Alexandrien). Im Grunde ging der Streit um einen einzigen Buchstaben: Arius sagte, Christus sei dem Vater wesensähnlich (homoi-usios), Athanasius hingegen verkündete als Lehre der Kirche, Christus sei dem Vater wesensgleich (homo-usios). Nach heftigen Auseinandersetzungen wurde am 19. Juni 325 von den Konzilsvätern die Lehre des Arius verurteilt und die Wesensgleichheit mit dem göttlichen Vater und damit die ewige Gottessohnschaft Christi feierlich verkündet:

 „Wir glauben …
an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes,
als Einziggeborenen gezeugt vom Vater,
aus seiner Wesenheit,
Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt (in Ewigkeit), nicht geschaffen (in der Zeit),
wesenseins mit dem Vater.“ (Alfred Läpple, Kirchengeschichte, München, 1972)

Das Glaubensbekenntnis von Nizäa ist noch heute gemeinsamer Besitz der katholischen, orthodoxen  und  evangelischen Christen. Der Streit war mit dem Konzil von Nizäa jedoch nicht beendet. Selbst Kaiser Konstantin wurde schwankend. Er ließ Arius aus der Verbannung rufen und verbannte dagegen Athanasius, den  Verkünder  der unverkürzten Lehre der Kirche. Der Kaiser entschied  sich  bald  für,  bald  gegen  den Arianismus.  Unter  vier  Kaisern   musste Athanasius  insgesamt  fünfmal in die Verbannung. Letztendlich hat sich die Lehre des Bischofs Athanasius durchgesetzt und bildet bis heute das Fundament der Dreifaltigkeitslehre.

Die Kanzeltafel zeigt den Bischof Athanasius bei einer Streitrede gegen Arius. Das Spruchband lautet: „In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit“.

Christoph Reiners