
Der Heilige Geist: Oft wenig beachtet und doch unverzichtbar
Das Satire-Magazin Der Postillion hat vor einigen Jahren getitelt: „Zu wenig Anerkennung: Heiliger Geist verlässt Dreifaltigkeit.“1 Beklagt wird vom Heiligen Geist in diesem ironischen Artikel die mangelnde Aufmerksamkeit für ihn im Vergleich zu Gott und Jesus, während er damit abgespeist werde, „dass wenigstens einmal im Jahr an Pfingsten an mich gedacht wird.“
Dieser Artikel legt den Finger in die Wunde, denn tatsächlich kann man den Eindruck bekommen, dass viel über Gott als Schöpfer der Welt und Jesus Christus als das fleischgewordene Wort Gottes gesprochen wird, weniger jedoch über die dritte Person der Dreifaltigkeit, den Heiligen Geist.
Schon das Alte Testament spricht vom Geist Gottes, etwa bei der ersten Schöpfungserzählung im ersten Kapitel der Bibel: „Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Gen 1,1). Dass unter dieser Ruach, wie es im hebräischen Originaltext heißt, aber der Heilige Geist zu verstehen ist, wird in der Bibelforschung heute kaum noch vertreten2. Im Neuen Testament taucht der Begriff, hier mit dem griechischen Wort Pneuma auf, beispielsweise bei der Ankündigung der Geburt Jesu an Maria (vgl. Lk 1,35) oder bei der Taufe Jesu (vgl. Mk 1,10 par.). Im Johannes-Evangelium kündigt Jesus kurz vor seinem Tod an: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (Joh 14,26). Am Ende des Matthäus-Evangeliums gibt Jesus seinen Jüngern den Auftrag: „Tauft [alle Menschen] auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ (Mt 28,19). An Pfingsten schließlich wird erzählt, wie Maria und die Jünger Jesu vom Heiligen Geist erfüllt werden und in allen Sprachen reden (vgl. Apg 2,1 - 11).
Aus diesen Bibelstellen wurden bildliche Darstellungen des Heiligen Geistes abgeleitet. Am bekanntesten ist vermutlich die Taube, die etwa auch im Chor von St. Remigius in der Viersener Innenstadt bei der Taufe des Namenspatrons der Kirche zu sehen ist. Aber auch Feuerzungen wie im Altarraum in St. Marien im Hamm sind eine gebräuchliche Darstellung für den Heiligen Geist.
In der christlichen Tradition werden dem Heiligen Geist sieben Gnadengaben zugesprochen, die sich aus der Bibel ableiten lassen: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht.
Besonders an den neun Tagen zwischen Christi-Himmelfahrt und Pfingsten, der Pfingst-Novene, wird in der Kirche um diese Geistgaben gebetet, beispielsweise in Heilig-Geist-Liedern, die teilweise schon eine jahrhundertelange Tradition haben. Darin ist der Wunsch ausgedrückt, dass sich diese Gaben in den Gläubigen immer mehr entfalten. Der Heilige Geist wird dabei oft mit einer Dynamik verbunden, die in Menschen freigesetzt werden soll: „Wärme du, was kalt und hart, / löse, was in sich erstarrt, / lenke, was den Weg verfehlt.“ Kritische Menschen sehen darin einen möglichen Grund, warum der Heilige Geist so selten betont wird. Denn es könnten Strukturen aufbrechen, die von anderen gerne erhalten werden möchten. In Freikirchen (Pfingstkirchen) wird der Heilige Geist oft stärker betont. Auch die Orthodoxen Kirchen und katholische Kirche des Ostens betonen in ihrer Theologie den Heiligen Geist.
Doch auch in der römisch-katholischen Kirche bekennen die Gläubigen: „Ohne dein lebendig Wehn / kann im Menschen nichts besteh‘n“. Das wird in den liturgischen Vollzügen der Kirche deutlich, wenn bei der Taufe der Heilige Geist auf das Wasser herabgerufen wird oder wenn bei der Firmung der Heilige Geist als Siegel in Form von Chrisam-Öl aufgedrückt wird. Auch in der Eucharistiefeier wird der Heilige Geist an zentraler Stelle im Hochgebet sogar in zweifacher Weise angerufen: Durch den Heiligen Geist werden die Gaben von Brot und Wein zu Leib und Blut; zugleich soll der Heilige Geist die Gemeinde immer mehr zu einer Einheit zusammenführen.
Der Heilige Geist ist also vielleicht der unmittelbarste Kontakt, den Gläubige zu dem dreifaltigen Gott haben können, weil er sie stärkt, tröstet und leitet. Er ist also unerlässlich für das Leben jedes einzelnen Menschen und für die Kirche als Ganzes. Es besteht für den Heiligen Geist also kein Grund, aus der Trinität auszutreten.
Andreas Hahne
1 Der Postillion. Zu wenig Anerkennung: Heiliger Geist verlässt Dreifaltigkeit, 13. Juni 2011, URL: https://www.der-postillon.com/2011/06/zu-wenig-anerkennung-heiliger-geist.html, letzter Zugriff: 30.05.2025.
2 Vgl. R. Haubst, Art. Heiliger Geist, LThK2 1960, Bd. 5, Sp. 109.