Die Glocken der Kirche St. Marien in Viersen-Hamm
Noch bevor die heutige Pfarrkirche St. Marien (1951–1955) errichtet wurde, stand seit 1911 die kleine Devotionskapelle an der Helmholtzstraße. Diese Kapelle besaß im Dachreiter eine kleine Stahlglocke, gegossen von der Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation, wie sie im frühen 20. Jahrhundert vielerorts verbreitet war. Die Glocke diente damals dem täglichen Gebet, den Bittprozessionen und den Rosenkranzandachten der Hammer Katholiken. Mit ihrer schlichten, klaren Klangfarbe war sie das erste hörbare Glaubenszeichen für die noch junge Gemeinde – und begleitete die Menschen bis zur Errichtung der großen Kirche.
Neubau der Kirche und frühes Glockenwesen
Als die Pfarrkirche St. Marien 1955 eingeweiht wurde, war zunächst nur diese Stahlglocke der Kapelle vorhanden. Sie wurde in den ersten Jahren im neuen Turm genutzt, bis ein größeres Geläut angeschafft werden konnte. So überbrückte die kleine Stahlglocke die Zeit des Aufbaus und schlug die Verbindung zwischen der alten Kapelle und der neuen Kirche.
Die Erweiterung des Geläuts
1958 erhielt St. Marien durch eine Leihgabe eine zusätzliche Glocke – die sogenannte „Leihglocke“ vom Hamburger Glockenfriedhof (dort war sie der Einschmelzung entgangen und wurde nach Kriegsende dort gelagert), die ursprünglich aus Danzig-Langfuhr stammte. Diese blieb bis 2008 in Hamm und wurde dann feierlich in ihre polnische Heimat zurückgebracht – ein Akt der Versöhnung nach Jahrzehnten des Umherirrens.
Vollgeläut seit 1986
1986 erhielt St. Marien ein vollständiges Bronzegeläut von Petit & Gebr. Edelbrock (Gescher), bestehend aus vier Glocken zwischen ca. 420 kg und 2.100 kg Gewicht. Damit wurde die Stahlglocke aus der Kapelle endgültig in den Hintergrund gedrängt – blieb aber als Erinnerungsstück an die Wurzeln der Gemeinde erhalten.
Fazit
Die Glockengeschichte von St. Marien in Hamm spiegelt ein Jahrhundert Kirchengeschichte wider:
- 1911: kleine Stahlglocke aus der Kapelle – erstes akustisches Zeichen katholischen Lebens im Ortsteil.
- 1955: Übernahme dieser Glocke in die neue Kirche – sie schlug den Bogen vom Alten zum Neuen.
- 1958–2008: die „Leihglocke“ als wandernde Zeugin der europäischen Geschichte.
- Seit 1986: das harmonische Vierer-Geläut aus Gescher als festliche Krönung.
- 2011: Nikolausglocke kommt neu dazu
Inschriften und Besonderheiten der Glocken
- Marien- Glocke: Auf die Fürbitte der Mutter Gottes gib Frieden Herr in unseren Tagen
- Paulus- Glocke: Christus ist für unsere Sünden gestorben und begraben worden. Er ist am dritten Tage aufgeweckt worden, gemäß der Schrift. ( 1Kor 15,3.4)
- Familien- Glocke: In den Familien in Frieden miteinander leben - aufeinander hören - füreinander Dasein.
- Josef- Glocke: Josef, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria als deine Frau zu nehmen… sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben (MT1,2 ob.21a)
- Nikolausglocke: In Erinnerung an die Glocke der Nikolauskirche in Langenau bei Danzig, heute Legowo/Polen, in der Marienkirche erklingend von 1958-2008, zunächst als einzige, seit 1968 mit den vier neuen Glocken. Gegossen 1645 in Oliva. Als Leihglocke kriegsbedingt vom Glockefriedhof in Hamburg an den Niederrhein gekommen. Rückgeführt am 11.April 2008 nach St. Nikolaus als Zeichen der Versöhnung und Freundschaft zwischen den Völkern. Völkerfreundschaft statt Krieg- Glockenklang statt Kanonendonner. Die Nikolausglocke wurde 2011 für die Marienkirche in Viersen-Hamm gegossen.
Läuteordnung
- Marien-Glocke bei Beerdigungen
- Paulus-Glocke, Familien-Glocke und Josef- Glocke an Sonntagen
- Nikolaus-Glocke zum Angelus und zu Werktagsmessen
- Alle Glocken zusammen an Feiertagen
So klingen in den Türmen von St. Marien nicht nur Bronze und Stahl, sondern auch Erinnerung, Versöhnung und Neubeginn.
Recherche: Reinhold Hörkens
Text: Daniela Knittel
Quellen: Pfarrarchiv, Internet, Wikipedia,